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Primitivgeld aus Afrika Kleine allgemeine Einführung, Ursprung und Entwicklung vormünzlicher Zahlungsmittel in Afrika: Einleitung Der
Ursprung allen ökonomischen Handelns liegt im Tauschgeschäft.
Der Beginn von Tauschgeschäften ist auf die Entstehungszeit des
Menschen zu datieren und seit der frühen Steinzeit
gebräuchlich. Sicher ist der komplexere Tauschhandel eines der wesentlichen
Elemente der eigentlichen Menschwerdung.
Getauscht
wurden zuerst alle möglichen Dinge des täglichen Bedarfs,
aber auch Ware gegen Dienstleistung. Der Tausch erfolgte zunächst
-wohl unmittelbar und ohne Umwege- über ein Wertaufbewahrungsmittel,
also Ware gegen Ware und Dienstleistung gegen entsprechende
Gegenleistung oder ebenso gegen Ware.
Nun stellte sich das Problem der Verderblichkeit vieler Waren die eine langfristige Wertaufbewahrung unmöglich machten: So mussten z. B. Tiere oder Ernteüberschüsse recht bald eingetauscht werden wobei die eingetauschten Waren -falls ebenfalls verderblich- keine dauerhafte Rücklagen ermöglichten. Auch die nicht verderblichen Waren, z. B. Feuersteine, Waffen, Werkzeuge, Kleidung mussten häufig gegen Lebensmittel getauscht werden da oft keine anderen Tauschwaren zur Verfügung standen. Dies alles erschwerte den Handel über weitere Distanzen erheblich, hinzu kam die Grösse und das Gewicht der erhandelten Gegenstände die umständlich transportiert werden mussten. Aus diesen Gründen trat an die Stelle des direkten Tauschgeschäfts bald ein Medium zur Wertaufbewahrung: Die ersten Vorformen primitiven Geldes. Hierzu dienten vornehmlich Gebrauchsgegenstände, die nicht vom Verderb bedroht waren und zudem idealerweise eine höhere Wertaufbewahrung in kleinerer Form und Gewichtung ermöglichten. Besonders Gebrauchsgegenstände, die über weite Distanzen verbreitet und begehrt waren kamen hierzu in Betracht. So konnten bald Feuersteine als Tauschobjekt genutzt werden, auch wenn der Handelspartner selbst keine direkte Verwendung für die eingetauschten Steine hatte und diese selbst lediglich zur Bezahlung bei anderen Handelspartnern nutzte. Als
folgendes Problem stellte sich jedoch die sehr unterschiedliche
Qualität und Gewichtung dieser werthaltigeren Gegenstände;
die Handelspartner mussten also in der Lage sein Qualität und
Wertigkeit der zum Handel verwendeten Objekte zu beurteilen. Hieraus
entwickelten sich genormte Gegenstände die über weite
Distanzen einem gewissen Standard entsprachen. Vor Allem Metalle wurden
in eine bestimmte gleichmässige Form gebracht um den Tausch zu
erleichtern, wobei die neuen Formen oft an die Formen der
ursprünglich zum Tauschhandel verwendeten
Gebrauchsgegenstände angelehnt waren. Es entstanden z. B.
Metallbarren welche die Form bestimmter Waffen oder Werkzeuge
imitierten ohne jedoch deren Funktion zu erfüllen.
Diese Art der Vereinheitlichung und der ansatzweisen Normierung von Wertgegenständen darf dann wohl als die Geburtsstunde des Primitivgeldes im engeren Sinne gelten. Andere Gegenstände, die als Primitivgeld verwendet wurden, konnten nicht genormt werden da die Natur hier die Form jeweils vorgab: z. B. Kaurischnecken oder Feuersteine im Rohzustand. Hier musste also nach wie vor die Qualität einzeln abgeschätzt oder gegeneinander aufgewogen werden. Eine Besonderheit der primitiven Zahlungsmittel ist die tatsächliche Wertigkeit, denn nahezu alle primitiven Geldformen hatten einen realen Wert: Metallbarren konnten -nach dem Einschmelzen- zu Werkzeugen und Waffen weiterverarbeitet werden, Kaurischnecken und Glasperlen wurden zu Schmuck und rituellen Gegenständen verarbeitet und z. B. Rotholzbarren zu kosmetischen und ebenso rituellen Zwecken verarbeitet, Schnaps als primitive Wärung konnte am Ende getrunken werden etc. Auch
in Europa und der gesamten restlichen Welt war ursprünglich
Primtivgeld allgemeines Zahlungsmittel, jedoch wurde das Primitivgeld
in weiten Teilen Europas spätestens in römischer Zeit
abgeschafft als von den römischen Besatzern die römische
Münze eingeführt wurde. Die römische Münze stellte
Geld im engeren Sinne dar und hatte keinen Primitivgeldcharakter mehr.
Ansätze zur Münzprägung gab es jedoch auch schon in
vorrömischer Zeit in Europa, bereits die Kelten hatten eigene
Münzsysteme die jedoch in viele einzelne Gebiete zersplittert
waren. Die römische Münze hatte dann über das gesamte
römische Reich gleichermassen Gültigkeit und stellte einen
Währungsrahmen der sich durchaus mit der Bedeutung des heutigen
Euro messen kann. Nach dem Verfall des römischen Reichs wurde dann
von den einzelnen Staaten wieder jeweils eigene Währungen begeben
und der “alte römische Euro” zu Grabe getragen, jedoch
handelte es sich in der Folge ebenso um überwiegend echte
Währungen, lediglich mit erheblich kleinerem Gültigkeitsraum.
Allerdings gab es auch Ausnahmen in Europa und so wurde in Deutschland,
direkt nach dem Kriege ab 1945 bis 1948 die Amerikanische Zigarette zur
inoffiziellen “Währung” umfunktioniert. Die alte
Reichsmark hatte bis zur Währungsreform 1948 kaum noch Wert zumal
die meisten wichtigen Bedarfsgüter nur gegen knappe Bedarfsmarken
verkauft wurden und ohne die zugehörigen Marken war die alte
Währung praktisch wertlos. US-Zigaretten fanden jedoch
überall inoffiziell Akzeptanz und auf dem Schwarzmarkt konnte
nahezu jede Ware gegen Zigaretten getauscht werden. Die sogenannte
Zigarettenwährung in Form von “Amis” könnte
durchaus als echte Primitivgeldwährung betrachtet werden.
Besonders die afrikanischen Kulturen haben sich diese frühen vormünzlichen Zahlungsformen lange erhalten und viele der afrikanischen Völker unterhielten noch bis weit in das 20. Jahrhundert Primitivgeldwährungen. Erst um 1930 wurde durch die belgische Kolonialverwaltung im Kongo diese ursprüngliche archaische Währungsform abgeschafft und gegen Münzen und Scheine ersetzt, in Nigeria sogar erst um 1948 durch die englische Kolonialverwaltung. Die
Weiterentwicklung von Primitivgeld zu tatsächlichem Geld wurde
dann jeweils von staatlicher Institution betrieben und durch die
Münze, später auch Papiergeld ersetzt. Die Unterscheidung von
Geld zu Primitivgeld liegt -neben der Tatsache der exklusiven Emmission
von staatlicher Seite- in der exakten Normung und der genaue
Festlegung von Nominalen die in ihrer materiellen Zusammensetzung
staatlich garantiert wurden. Die Münze ist ausserdem gesetzliches
Zahlungsmittel, das von staatlicher und privatwirtschaftlicher Seite
akzeptiert werden muss, während Primitivgeld der gesetzlichen
Grundlage entbehrte und praktisch von Jedermann selbst gefertigt werden
konnte und keineswegs überall und jederzeit uneingeschränkt
akzeptiert wurde. Die staatliche Münze hat ausserdem den Zweck
gegen inflationäre Tendenzen einzuwirken: Die Geldmenge konnte an
die wirtschaftliche Leistung angepasst werden um einer Abwertung des
Geldes entgegenzuwirken. Kam es kurzfristig -z. B. zu reichen Metall-
oder gar Goldfunden- hatte dies oft unmittelbare negative Auswirkung
auf den Wert des Primitivgeldes und erst die staatliche Steuerung der
Geldmenge -bezogen auf das spätere Münz- und Papiergeld- konnte dies weitgehend verhindern. Sicher ist die
Einführung der Münze aber auch als Machtinstrument eines
Staates zu betrachten da von nun an alle Geldemmissionen durch den
Staat kontrolliert wurden.
Der
Umstand, dass die afrikanischen Primitivgeldwährungen noch so
lange Bestand hatten -und deren Jahrtausendelange
Gültigkeit- hat ein reiches Erbe an Funden hinterlassen. In vielen
anderen Teilen der Welt sind diese alten Zahlungsmittel im Laufe der
Zeit -nach ihrer Abschaffung- eingeschmolzen worden oder einfach
vergangen und heute kaum noch aufzutreiben. Auch in den afrikanischen
Kolonien wurden grosse Teile des Primitivgeldes, nach dem Eintauschen
gegen reguläre Währung, verarbeitet oder auch vernichtet.
Jedoch sind grosse Mengen der Zerstörung entgangen denn nicht
Alles wurde damals eingetauscht, es durften sogar gewisse kleine Mengen
zurückbehalten werden. Ebenso tauchen immer wieder Hortfunde auf
die oft so manche Überraschung bieten. Die Spätphase des
Primitivgeldumlaufs fällt in Afrika zudem in eine Zeit
höherer Bevölkerungsdichte was die grössere
Häufigkeit gegenüber antiken Primitivgeldformen erklärt.
Eine Kuriosität unter den afrikanischen Primitivgeldformen stellt die Transformation vormals echten Geldes in vormünzliche Zahlungsmittel dar. Bei den Tuareg wurden u. A. Maria-Theresien Taler eingeschmolzen und zu kreuzförmigen Anhängern, den sogenannten Agadez-Kreuzen umfunktioniert, ebenso Kleingeldmünzen als Zinderkreuze umgegossen. Gerade die Vielfalt und Originalität der afrikanischen primitiven Zahlungsmittel stellt ein sehr reizvolles Sammelthema dar zumal viele dieser Objekte auch dekorativen Charakter besitzen. Hier unterscheiden sich viele attraktive Formen des Primitivgeldes von der Kleinheit der Münzen der entwickelten Zahlungsformen. |
Liganda, Lokele, Kongo Schlangengeld der Lobi, Burkina-Faso Agadez-Kreuz der Tuareg |
Spiralgeld der Mongo, Nkundu, Kongo |
Primitivgeld aus Metall in eigenständiger,
nicht zweckorientierter Form: Es existieren aber auch Primitivgeldformen aus Metall die keinen praktischen Vorbildern, z. B. Waffen oder Schmuck, zuzuordnen sind und ganz eigenständige Formen repräsentieren. Der hier hier gezeigte Kupferbarren Boloko in U-Form, mit aufgetriebenen Enden, lässt sich keinem Gebrauchsgegenstand zuordnen. Diese gebogenen, stangenförmigen Kupferbarren waren im Kasaigebiet des Kongo verbreitet und wurden offenbar von unterschiedlichen Ethnien dieser Region verwendet. Bolokos erreichen eine Grösse von ca. 40 cm Höhe und sind damit noch recht handlich zu transportieren und aufzubewahren. Auffallend ist (wie auch bei anderen Primitivgeldformen aus dem Kongogebiet)
die Guthaltigkeit des Materials Kupfer das sich leicht von Hand in Form
biegen lässt und die aufgetriebenen Enden ermöglichen sogar
den freien Stand des Bolokos.
Möglicherweise ist diese Form einst aus Zufall entstanden um diese
Art Barren, z. B. anlässlich von Brautgeldübergaben, besser
ausstellen zu können. Auch Bolokos dürften ursprünglich
auf Glanz geputzt worden sein, die heutige Patina gibt den
ursprünglichen Eindruck nur unzureichend wieder.
Eine ebenso ausgefallene Form stellt das sogen. Spiralgeld der Mongo-Nkundu dar: Es handelt sich dabei um Kupferstäbe die in Spiralform gebogen sind. Die Bedeutung dieser Form ist uns unbekannt, möglicherweise ist aber symbolisch eine Schlange dargestellt. Interessant ist die typisch verlaufenden Form dieses Barrens: Die Windungen verengen sich von oben nach unten, ebenso die Materialstärke. Das duktile Metall Kupfer ermöglicht auch bei diesem spiralförmigen Barren eine relativ leichte Kaltverformung und die Spirale kann somit in der Ausdehnung kunstvoll getrieben und damit verändert werden. Die hier links abgebildete Spirale hat eine Höhe von ca. 1 Meter. Selbstverständlich zählen zu den eigenständigen Primitivgeldformen auch die bereits o. g. Katangakreuze. Interessant ist auch die Interpretation von Tiermotiven die sich eindrucksvoll z. B. im Schlangengeld der Lobi äussert. Die aus einfachem Stahl geschmiedeten Schlangenförmigen Barren können als kleine Kunstwerke sehr reizvoll sein und hatten über die monetäre Funktion hinaus auch die Aufgabe seinen Besitzer gegen Schlangenbisse zu schützen. Primitivgeld aus umgegossenen europäischen Münzen: Die Tuareg in der Sahara haben den Gedanken an primitive Zahlungsmittel durch das Einschmelzen echter europäischer Münzen -zu vormünzlichen Zahlungsmitteln in Schmuckform- ein wenig konterkariert: Bekannt ist hierfür das sogenannte Zinderkreuz, das als Kleingeld in grossen Stückzahlen aus weniger guthaltigen, jedoch echten Münzen hergestellt wurde und den finanziellen Status des Besitzers -offen an einer Halskette getragen- besser als das verdeckte Tragen von Münzen darstellen konnte. |
Boloko, Kasaigebiet, Kongo Schlangengeld der Lobi, Burkina Faso Zinderkreuz der Tuareg, Niger |
Gewichte für Goldstaubwährung, Ashanti |
Goldstaub als Zahlungsmittel In
Staaten mit reichem Goldvorkommen, besonders im Gebiet des heutigen
Ghana, das Gebiet der Ashanti, war der rohe, handgeschürfte
Goldstaub verbreitetes Zahlungsmittel. Naheliegend wurde der Goldstaub
auch von den europäischen Handelspartnern recht gerne akzeptiert
was dieser westafrikanischen Region auch den Namen Goldküste
einbrachte. Um Goldstaub als Zahlungsmittel nutzen zu können war
sorgfältiges Auswiegen erforderlich wozu genormte Goldgewichte aus
Gelbguss verwendet wurden. Diese Gewichte existieren in enormer
Vielfalt und sind in 3 Gruppen zu unterteilen:
1. Gewichte in geometrischen Formen 2. Figürliche Gewichte in praktisch jeder erdenklichen Form 3. Gewichte in Ringform zum permanten Tragen, auch als Schmuck Die Gewichte sind meist kleinformatig und erreichen meist nur Grössen von wenigen Zentimetern und sind durch den Guss der Verlorenen Form hergestellt, also allesamt Unikate. Auffallend sind, häufig nachträglich Angebrachte, angelötete Eichgewichte die eine faire Handelsabwicklung gewährleisten sollten. Seltener wurden diese Gewichte auch aus Gold gegossen und hatten damit selbst Primitivgeldcharakter. |
2. Primitivgeld aus natürlichen Materialien, verarbeitet und unverarbeitet Kaurieschnecken
Primitivgeld in natürlicher, unverarbeiteter Form stellen beispielsweise Kaurieschnecken dar, die -neben dem Geldcharakter- rituelle Bedeutung hatten und bis heute noch haben. Hier zeigt sich ursprüngliches Primitivgeld im weiteren Sinne da Kaurieschnecken ebenso eine praktische Verwendung zukommt und damit nicht nur als Zahlungsmittel genutzt wurden. Glasperlen Glasperlen stellen möglicherweise das Synonym für Primitivgeld überhaupt dar obwohl auch Glasperlen eigentlich -wie die Kauries- nur im weiteren Sinne als Währung betrachtet werden können. Auch hier ist die umfassende rituelle Nutzung, ebenso als Schmuck, zu erwähnen. Glasperlen wurden bereits vor Jahrhunderten in Murano für den afrikanischen Markt produziert, später dann auch in Böhmen und weiteren europäischen Ländern und von den Europäern gerne als billiges Tauschobjekt genutzt. Aber auch in Afrika, besonders in Westafrika, gab es eine rege Glasperlenproduktion die es aber heute schwer hat gegen neue Billigimporte aus China und Asien konkurrenzfähig zu sein. Heute werden die alten Glasperlen aus Murano wieder nach Europa reexportiert da sich hier ein reger Sammlermarkt entwickeln konnte. Eines der "typisch afrikanischen" Erzeugnisse stammt also ursprünglich aus Europa wobei allerdings auch in Afrika hochwertige Glasperlen produziert wurden die eine Unterscheidung von alter europäischer Ware, zumindest auf den ersten Blick, nicht immer ganz einfach machen. Rotholzbarren / Tukula Im Kongogebiet sind bis heute Kosmetika bzw. rituelle Schminken aus Rotholzpulver gebräuchlich. Rotholzpulver wurde daher, mit Wasser vermischt, in Barrenform gepresst um als Zahlungsmittel verwendet zu werden. Häufig sind diese Tukula/Rotholz-Barren mit den typischen geometrischen Motiven des Kuba-Stammeskomplexes verziert. Salzbarren / Amolis Auch Konsumgüter bzw. Nahrungsmittel wurden als primitives Zahlungsmittel verwendet, hier sei besonders die Salzbarren-Währung Amoli hervorgehoben. Besonders in Äthiopien, aber auch in anderen afrikanischen Ländern wurde der begehrte Rohstoff Salz als geldwertes Zahlungsmittel eingesetzt. Salzbarren wurden dafür in handliche, einheitliche Grössen gepresst und konnten für Dinge des täglichen Bedarfs vielerorts eingetauscht werden. Raphiamatten / Kasaivelvet Im Kasaigebiet enstanden bereits vor Jahrhunderten gewebte und kunstvoll bestickte Matten aus den Fasern der Raphiapalme, siehe hierzu auch: Kuba-Stammesbeschreibung. Bei den Raphiaplüschen handelt es sich allerdings um Primitivgeld das meist nicht zu alltäglichen Geschäften genutzt wurde, sondern überwiegend die Funktion als Brautgeld hatte, ferner auch zu Prestigezwecken gesammelt wurde. |
Kaurieschnecken in natürlicher Form Kaurieschnecken und Glasperlen an ritueller Maske Rotholzbarren Tukula, Kuba-Stammeskomplex, Kongo Raphiamatte der Kuba als Brautgeld, Kongo |